Die Turbos begreifen’s nicht

Blick nach Europa
Verfasst durch Andreas Rieger

Kaum waren die Wahlen vorbei, drängten sie wieder, die Rahmenabkommen-Turbos: Der Vertrag zwischen der Schweiz und der EU müsse schnell abgeschlossen werden, fordern sie. Ausgehandelt hatte diesen vor mehr als einem Jahr Bundesrat Ignazio Cassis. Er gab dabei unter anderem den Lohnschutz zum Abbau frei – entgegen der Position des Bundesrates. Doch die Gewerkschaften wehrten sich gegen diesen miesen Deal und werden seither als «Verhinderer» und «ewige Blockierer» beschimpft.

Cassis wird unterstützt vom Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, von Politikerinnen und Politikern vieler Couleur und von den vielen Meinungsmachern in den Medien. Seit einem Jahr wiederholen sie mantramässig: Der Rahmenvertrag, der auf dem Tisch liege, sei der bestmögliche. Die EU werde ihn nicht nachverhandeln. Würden wir nicht schnell unterschreiben, beschliesse die EU weitere Strafmassnahmen gegen die Schweiz. Das sind falsche Behauptungen.

Keine Eskalation vor der Schwexit-Abstimmung

Auch gegenüber der britischen Regierung sagte die EU immer, Nachverhandlungen gebe es nicht. Jetzt hat sie doch nachverhandelt. Zudem hat in Brüssel bezüglich der Schweiz ein Umdenken begonnen. Langsam versteht man dort, was die hiesigen Turbos nicht kapieren: dass wir in der Schweiz zuerst die gefährliche Schwexit-Initiative der SVP versenken müssen, die im Mai 2020 vors Volk kommt. Denn sie verlangt den Ausstieg der Schweiz aus der Personenfreizügigkeit und damit aus allen bilateralen Verträgen mit der EU.

Dass Strafmassnahmen der EU gegen die Schweiz jetzt das Dümmste wären, weil sie die EU-feindlichen Kräfte stärken würden, verstehen unsere Nachbarn. «Keine Eskalation!» sagt drum der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Zusammen mit seinen Regierungskollegen aus Bayern, Vorarlberg, dem Elsass und Savoyen. Gut so.

Endlich die Kohäsionsmilliarde freigeben

Und wie kann die Schweiz ihrerseits zur Deeskalation beitragen? Sie könnte endlich die sogenannte Kohäsionsmilliarde freigeben, die ein Ausgleichsbeitrag für ärmere Regionen in Europa ist. Und dann im nächsten Sommer, wenn die SVP-Initiative hoffentlich vom Tisch ist, mit der EU über den Erhalt des Lohnschutzes und anderes mehr nachverhandeln.

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