Eine Plage kommt selten allein: Erst wurden die Rohstoffe und Chips knapp, und die Lieferketten stotterten. Das führte zu punktuellen Preissteigerungen. Dann kam schon die nächste Plage bei der Energieversorgung. Putins Überfall auf die Ukraine erzwang einen rasanten Umbau des Nachschubs von Öl und Gas. Die Multis schrauben die Endpreise in bisher ungekannte Höhen und stecken Riesenprofite ein. So stiegen die Gewinne der fünf grössten Ölmultis in einem Jahr um mehr als das Doppelte.
Das Resultat: Europa hat jetzt auch noch eine Gewinn-Plage. Selbst die Europäische Zentralbank sieht in solchen Krisengewinnen derzeit die wichtigste Preistreiberin. Wir haben es also heute in Europa mit einer richtigen Gewinn-Preis-Spirale zu tun, mit Inflationsraten von 8 Prozent.
Investitions-Impulse
Dabei hatte es noch 2019 gar nicht so schlecht ausgesehen: Der Wirtschaftsmotor brummte, die Arbeitslosigkeit sank, die Löhne stiegen an. Die EU beschloss stärkere Massnahmen zum ökologischen Umbau. 2020 provozierte die Corona-Plage dann einen tiefen Einbruch. Das Bruttoinlandprodukt sank um bis zu 10 Prozent. Und wo nicht Kurzarbeit angewandt wurde, stieg die Arbeitslosigkeit stark an. Aber bereits im 2. Halbjahr 2021 zog die Wirtschaft wieder an. Unter anderem dank Investitions-Impulsen der EU. Plötzlich suchten die Patrons in vielen Branchen händeringend nach Arbeitskräften. Doch dann kam die Gewinn-Preis-Spirale in Fahrt.
Verkehrte Welt
Nun überschlagen sich die Arbeitgeberverbände und ihre Politikerinnen und Politiker mit Warnungen vor einer Lohn-Preis-Spirale. Natürlich fordern die Gewerkschaften in ganz Europa kräftige Lohnerhöhungen, um den Kaufkraftverlust auszugleichen. Aber sie hinken damit der Teuerung hintennach. Trotzdem wird den Gewerkschaften jetzt vorgeworfen, sie seien schuld an der Inflation und nicht die Profitwirtschaft und die Krisengewinnler. Mehr noch: mit ihren Forderungen riskierten sie eine Rezession. Welch verkehrte Welt! Denn verzichten die Lohnabhängigen auf eine Lohnerhöhung, während die Gewinne steigen, dann schneidet sich das Kapital einfach ein noch grösseres Stück vom Wirtschaftskuchen ab. Damit das nicht passieren kann, fordern die europäischen Gewerkschaften neben Lohnerhöhungen auch die Einführung einer massiven Sondersteuer auf Extraprofiten.