Der griechische Patient

Blick nach Europa
Verfasst durch Andreas Rieger

EU-Sparprogramm

Von der Öffentlichkeit fast unbemerkt ist der Patient Griechenland soeben aus dem Spital entlassen worden. Genesen ist er aber nicht. Blenden wir zurück: Griechenland hat es nach der globalen Finanzkrise 2012 schwer erwischt. Staat und Wirtschaft hatten zu viele Kredite aufgenommen und wurden zahlungsunfähig. Wirksamer wäre ein Schuldenschnitt gewesen. Doch da hätten französische und deutsche Banken bluten müssen. Oder die EU die Schulden  übernehmen. Aber den «faulen Griechen Geld nachschiessen»? Das wollten weder die Deutschen noch die geizigen Nordländer.

Schocktherapie

So kam die Zwangsbehandlung durch die Doktoren des Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank und der EU-Kommission. Sie verschrieben ein Stahlbad der Austerität: Senkung des gesetzlichen Mindestlohns und der Renten; Schleifung der GAV, Abbau bei Service Public und öffentlichen Investitionen, Privatisierung des Hafens von Piräus … Die schwach aufgestellten Gewerkschaften versuchten Widerstand zu leisten mit eintägigen  Generalstreiks, die aber kaum Eindruck machten. Resultat der Schocktherapie: Die Arbeitslosigkeit stieg auf 30 Prozent. Die Effektivlöhne sanken um über 20 Prozent, die Altersrenten bis zu 50 Prozent. Millionen Griechinnen und  Griechen waren in Armut. Die Kindersterblichkeit stieg an.

Behandlungsfehler

Im August 2022 habendie «Doktoren» nun den Patienten aus ihrer Überwachung entlassen. Der griechische Staat hat etwas Schulden zurückbezahlt und hat ein ausgeglichenes Budget. Aber gesund ist der Patient nicht, trotz konjunktureller Erholung in den letzten Jahren. Die offizielle Arbeitslosigkeit ist mit 14 Prozent die höchste in der EU. Hunderttausende sind aus Griechenland emigriert, gerade auch Fachkräfte, die es heute bräuchte. Die Löhne sind leicht gestiegen, aber noch lange nicht auf das frühere Niveau. Die Gewerkschaften im öffentlichen Dienst geben mit Streiks Gegensteuer. Aber im Privatsektor sind sie geschwächt. Intern bekämpfen sich politische Gruppen. So  sprengte die Fraktion, die der Kommunistischen Partei nahesteht, zusammen mit Hunderten Claqueuren den letzten Kongress der Dachorganisation. Unterdessen anerkennen immer mehr Ökonomen, auch beim Währungsfonds, dass die Therapie in Griechenland komplett falsch war. Aber auf eine Wiedergutmachung wird der Patient wohl ewig warten …

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