Vorteile und Risiken der Personenfreizügigkeit – Grafiken und Kommentare

Blog Daniel Lampart

Personenfreizügigkeit führt nicht per se zu höherer Einwanderung …

Die Bedeutung des Freizügigkeitsabkommens für die Höhe der Immigration wird stark überschätzt. Wie viele Menschen in ein Land einwandern wird vor allem durch die Wirtschaftslage bestimmt. Die Firmen rekrutieren mehr im Ausland, wenn sie im Inland Mühe haben, die Arbeitskräfte zu finden. Das zeigen die Einwanderungszahlen für die Schweiz, die in Zeiten guter Konjunktur immer höher waren. Dieser Zusammenhang gilt unabhängig vom Einwanderungssystem. Auch Länder mit einem Punkte-Zulassungssystem wie Australien hatten mehr Einwanderung.

… aber zusammen mit dem Lohnschutz zu einer besseren sozialen Situation und Integration

Die Personenfreizügigkeit gibt den EinwandererInnen aber mehr Rechte und einen besseren sozialen Schutz – indem die Daueraufenthalts-Bewilligungen für 5 Jahre gewährt werden und der Arbeitsplatzwechsel in der Schweiz relativ einfach ist. Und indem die Familie ziemlich problemlos mitgenommen werden kann. Die EinwandererInnen lassen sich daher von den Arbeitgebern weniger unter Druck setzen. Dazu kommt der Lohnschutz. Seit Einführung der Personenfreizügigkeit werden die Löhne flächendeckend auf Dumping kontrolliert. Der Lohndruck bei den ausländischen Arbeitskräften hat deshalb spürbar abgenommen. Auch die Schwarzarbeit ist heute wesentlich weniger häufig.

Internationalisierung und Internet sind weltweit bedeutende Treiber der Einwanderung

Durch die Internationalisierung der Gesellschaften und der Wirtschaft ist das Arbeiten im Ausland selbstverständlicher geworden – unabhängig von der Einführung der Personenfreizügigkeit. In allen Europäischen Ländern, die keine wirtschaftlichen Krisen durchliefen, arbeiten heute mehr Personen mit einem EU-Pass als vor rund 10 Jahren. Dabei hat auch das Internet eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt. Vor dem Jahr 2000 musste ein Arbeitgeber in einer ausländischen Zeitung inserieren, um Stellensuchende ausserhalb der Schweiz anzusprechen. Mit dem Internet ist das heute nicht mehr nötig. Internetausschreibungen sind fast weltweit sichtbar.

Guter Qualifikationsmix dank Personenfreizügigkeit und Lohnschutz

Die besseren Aufenthaltsbedingungen durch die Personenfreizügigkeit haben die Schweiz für gut Ausgebildete attraktiver gemacht. Und dank dem Lohnschutz können die Schweizer Arbeitgeber keine «billigen» ausländischen Arbeitskräfte auf Kosten der Qualifizierten im Inland rekrutieren. Wie das im früheren Kontingentssystem häufiger der Fall gewesen ist. Neue Gesamtarbeitsverträge in der Reinigung, im Personalverleih u.a. mit höheren Mindestlöhnen haben diese Entwicklung gefördert. Dadurch hat sich der Qualifikationsmix in der Schweiz positiv entwickelt.

Punkte- und Kontingentssysteme haben grosse Nachteile für die Arbeitnehmenden

Gegner der Personenfreizügigkeit behaupten, ein Punktesystem zur Steuerung der Einwanderung sei besser – wie beispielsweise in Kanada. In Wirklichkeit ist Erwerbsbeteiligung und die Lohnsituation der unter dem FZA in die Schweiz eingewanderten Personen vorteilhafter. Das FZA setzt eine Stelle bzw. einen Arbeitsvertrag voraus. Kanada zieht vor allem HochschulabsolventInnen an. Ein Studium gibt besonders viele Punkte, was die Einwanderungsschancen für studierte InderInnen oder Philippinen erhöht. Doch das Studium garantiert noch keinen Job und auch keinen Job, der zur Ausbildung passt. Nur 38 Prozent der einwanderten AkademikerInnen arbeitet in Stellen, die einen Hochschulabschluss brauchen. Der Rest hat oft einen Hilfsjob. Das Arbeitslosenrisiko ist hoch. Nur rund 75 Prozent der in den letzten 5 Jahren in Kanada eingewanderten Personen hat eine Stelle. In der Schweiz sind ca. 85 Prozent der Personen mit EU-Pass erwerbstätig.

Das Freizügigkeitsabkommen begünstigt leider auch prekäre Arbeitsformen

Leider reduzierte die Freizügigkeitsabkommen auch die Hürden von zwei potenziell prekären Formen der Arbeit – der Temporärarbeit und der Entsendungen aus dem Ausland. Das FZA erlaubt es den Temporärbüros, auch KurzaufenthalterInnen und GrenzgängerInnen zu verleihen. Vorher war der Daueraufenthalt in der Schweiz die Voraussetzung. Die Temporärarbeit hat in der Folge stark zugenommen, was vor allem den Temporärbüros genützt hat. Die Mehrheit der Arbeitnehmenden arbeitet unfreiwillig temporär. Es gibt zahlreiche Dumpingfälle und Unfälle.

Ausländische Firmen, die ihre Arbeitnehmenden in die Schweiz entsenden, erwirtschaften damit rund 2 Mrd. Fr. pro Jahr. In Grenzregionen haben sie mittlerweile im Küchen- und Fenstereinbau oder im Holzbau Marktanteile im Bereich von 20 Prozent. Entsendefirmen kommen mit ausländischen Löhnen und Arbeitsverträge in die Schweiz. Das Dumpingpotenzial ist deshalb sehr gross. Dank den Lohnkontrollen und den Flankierenden Massnahmen können sie kontrolliert und im Dumpingfall gebüsst werden. Der Vollzug der Bussen im Ausland ist aber nach wie vor schwierig. Deshalb wurde die Kaution eingeführt.

Schlussfolgerungen

Die Personenfreizügigkeit in Verbindung mit den Flankierenden Massnahmen hat die Lage der Arbeitnehmenden insgesamt verbessert. Die «Qualität» der Einwanderung ist gestiegen - über bessere Löhne und Arbeitsbedingungen. Die Anzahl Personen, die einwandert, ist hingegen relativ unabhängig von der Personenfreizügigkeit. Hier spielen die Wirtschaftslage und die Internationalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft die treibende Rolle.

Mit dem Freizügigkeitsabkommen wurde leider auch die Temporärarbeit und die Entsendung erleichtert – zwei potenziell prekäre Formen der Arbeit. Mit dem Schweizer Lohnschutz konnten grössere negative Entwicklungen bisher bekämpft werden. Doch es gibt Lücken: Temporäre können schlechtere Arbeitsbedingungen haben als Festangestellte, was der Temporärarbeit einen ungerechtfertigten Vorteil gibt. Zudem ist der Lohnschutz unvollständig. Zahlreiche Branchen und Berufe wie der Detailhandel oder das Gesundheits- und Sozialwesen (Kitas, Heime usw.) sind nicht durch Gesamtarbeitsverträge mit Mindestlöhnen geschützt.

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