Überraschender Fremdenhass

Blick nach Europa

Neuer Rassismus in Irland

Vor drei Wochen griff in Dublin ein irischer Staatsbürger Schulkinder mit einem Messer an. Dank dem selbstlosen Eingreifen der Lehrerin, eines brasilianischen Deliveroo-Kuriers und eines französischen Kellners wurde der Täter überwältigt. Angestachelt von rechtsradikalen Falschmeldungen über den «ausländischen» Messerstecher im Internet, zogen danach etwa zweihundert randalierende Jugendliche durch die Innenstadt und zündeten Polizeiautos, Busse und ein Tram an. Auch mehrere Geschäfte und Warenhäuser wurden geplündert. Die Polizei schaute zu.

Neuer Rassismus

In Dublin kam es vorher noch nie zu ausländerfeindlichen Krawallen. Auch nach der Finanzkrise nach 2008 nicht, in der viele ihre Stelle verloren oder grosse Lohnkürzungen hinnehmen mussten. Trotz grosser Zuwanderung gibt es auch an irischen Schulen kaum Inte­grationsprobleme, da keine Kinder aussortiert werden, sondern bis zur Matura im gleichen Klassenverband bleiben. Dies erklärt auch die Spitzenposition Irlands im neusten internationalen Pisa-Schulvergleich. Auch im irischen Parlament gab es bislang keine einzige Partei, die mit rassistischen Parolen Politik macht. «Du kannst nicht gleichzeitig Irin und Rassistin sein.» Dieser Satz der irischen Rocksängerin Imelda May sprach vielen aus der Seele, die nach dem fremdenfeindlichen Krawall an der Mahnwache des irischen Gewerkschaftsbundes teilnahmen. Viele Iren wissen genau, was Rassismus bedeutet, haben sie ihn doch als Auswanderernation oft am eigenen Leib erlebt.

Unsioziale Medien

Dagegen steht Irland immer mehr im Zentrum rechter Agitatoren im Internet. Dabei wurden die meisten rechtsradikalen Tweets, welche die Randalierer anfeuerten, ausgerechnet in den USA und in Grossbritannien verfasst. Trotz den Tesla-Streiks in Schweden fand sogar der Tesla-Boss, Elon Musk, Zeit für einen persönlichen Hetz-Retweet über den «Ausländer», der «irische Kinder absticht», und über Leo Varadkar, den «irischen Ministerpräsidenten», der «die Iren hasst».

Wirtschaftsliberale Regierung

Nach den Krawallen bezeichnete die Justizministerin die Randalierer schlicht als asoziale «Drecksäcke» und bestellte aus dem nord­irischen Belfast zwei Wasserwerfer für die Polizei. Mit der schlechten sozialen Lage hätten die Krawalle hingegen nichts zu tun, trotz über 13 000 Obdachlosen in Dublin. Zwar kamen die Randalierer tatsächlich etwa gleichermassen aus reichen und armen Bezirken. Dennoch macht die Regierung derzeit alles, um die sozialen Spannungen in Irland weiter anzuheizen. Statt die Macht profitgieriger Hausbesitzer zu brechen und mehr Geld in den Wohnungsbau zu investieren, kündigte sie Anfang Woche an, neue ukrainische Flüchtlinge künftig nur noch 90 Tage lang zu beherbergen. Neue männliche Flüchtlinge aus anderen Staaten kriegen schon seit letzter Woche kein Obdach mehr. Stattdessen drückt die Regierung ihnen Zelt, Schafsack, und 113 Euro pro Woche in die Hand. Trotzdem seien Kriegsflüchtlinge aus allen Ländern laut Leo Varadkar weiterhin willkommen.

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