Bundesrat Maurer bohrt neues Millionen-Steuerschlupfloch - leider wurde das bisher kaum wahrgenommen

  • Finanzen und Steuerpolitik
Blog Daniel Lampart

Bundesrat Maurer bohrt ein neues Millionen-Steuerschlupfloch für Anleger. Dies im Rahmen der Verrechnungssteuer-Revision, die von der Öffentlichkeit bisher kaum beachtet wurde. Die Reform ist am kommenden Montag in der Wirtschaftskommission des Nationalrates. Spielt der Nationalrat auch dieses Mal mit – wie nach den in den Volksabstimmungen fast bzw. total gescheiterten Unternehmenssteuerreformen II und III?

Bundesrat Maurers Ziel ist es, die Verrechnungssteuer und die Stempelsteuer auf Obligationen ersatzlos abzuschaffen. Wer heute seine Erträge auf Schweizer Obligationen in der Steuererklärung nicht deklariert, muss wenigstens 35 Prozent Verrechnungssteuer zahlen. Wenn diese abgeschafft wird, sind die Erträge neu steuerfrei! Das verstösst gegen alle Gerechtigkeitsgrundsätze. Und auch gegen die Steuervorgaben in der Bundesverfassung. Alles halb so wild, meint der Bundesrat: Es handle sich schliesslich nur «um eine klar umrissene Anlagekategorie» (S. 47).

Die Auswirkungen des Steuerschlupflochs werden generell heruntergespielt. Weil das Zinsniveau tief sei, würde die Abschaffung der Verrechnungssteuer auch kaum Steuerausfälle nach sich ziehen. Sie werden vom Bundesrat auf 172 Mio. Fr. pro Jahr beziffert. Mittelfristig sei alles noch weniger schlimm, wegen «dynamischen Effekten» aufgrund der Abschaffung. Es würden viel mehr Obligationen in der Schweiz herausgegeben, was über indirekte Effekte zusätzliches Geld in die öffentlichen Kassen spülen würde.

Doch das tiefe Zinsniveau ist historisch gesehen die totale Ausnahme. Viel wahrscheinlicher ist mittelfristig ein Zinsniveau von 3 bis 4 Prozent (nominelles BIP-Wachstum plus Aufschlag für Risiko und Liquiditätsverzicht). Unter diesen Annahmen kostet die Reform dann plötzlich eher 500 Mio. Fr. pro Jahr.

Auf andere Risiken geht der Bundesrat gar nicht ein. Doch wenn man künftig nur noch auf dem Sparkonto Verrechnungssteuer abliefern muss, während die Obligationenanlagen verrechnungssteuerfrei sind, wird es Verschiebungen weg vom klassischen Bankkonto geben. Die Banken oder auch andere Anbieter (Schattenbanken) werden neue Produkte entwickeln. Bereits heute wird ein immer grösserer Teil der Hypotheken ausserhalb der Banken finanziert. Es würde nicht überraschen, wenn Anbieter entstehen, welche Hypotheken bündeln und als Obligationen weitergeben (die Finanzkrise in den USA lässt grüssen). Das kann über die Banken geschehen – aber auch ausserhalb der Banken, teilweise sogar über das Internet. Das hätte dann auch negative Auswirkungen auf die Finanzstabilität. Der Schattenbankensektor wächst bereits heute weltweit in besorgniserregendem Masse. Diese Verschiebung vom Bankkonto auf die Obligationen dürfte zudem zu weiteren Steuerausfällen führen.

Dabei wäre die richtige Lösung eigentlich simpel. Es braucht keine Verrechnungssteuer, wenn die Steuerpflichtigen ihre Kapitalerträge korrekt melden müssen. Die Verrechnungssteuer ist nur eine Sicherungssteuer, damit Anleger mit Schwarzgeld wenigstens 35 Prozent ihres Ertrags abliefern müssen (das Vermögen bleibt unversteuert). Die Schweiz müsste nur den automatischen Informationsaustausch im Inland einführen. Für die Banken ist der so genannte AIA mit den meisten Ländern bereits Realität. Für sie ist es eigentlich administrativ nur mühsam, wenn sie für Schweizerinnen und Schweizer eine Ausnahme machen müssen. Das sagen viele auch im persönlichen Gespräch. Die Bankiervereinigung hat das 2015 sogar öffentlich gemacht. Sie machte Bundesrat Maurer folgenden Vorschlag: „Es werden […] einmal im Jahr die Jahresendergebnisse der Erträge, die nicht der Quellen-Verrechnungssteuer unterliegen, in aggregierter Form an die Eidgenössische Steuerverwaltung gemeldet“. Wenn der Nationalrat auf der Höhe der Zeit ist, wird er in Richtung Informationsaustausch gehen. Das Bankgeheimnis lohnt sich für die Banken nicht mehr – es lohnt sich höchstens noch für die Steuerhinterzieher.

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

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