Ungenügende öffentliche Arbeitsvermittlung: Weniger als die Hälfte der Erwerbslosen geht noch zum RAV

  • Arbeitslosenversicherung
Blog Daniel Lampart

In der Schweiz geht mittlerweile weniger als die Hälfte der erwerbslosen Stellensuchenden zum RAV (44 Prozent). Im Jahr 2010 waren es noch 54 Prozent. Bei den Langzeitarbeitslosen ist es noch schlimmer. Gemäss einer neuen Studie von KOF/BSS ist nur noch jeder Dritte (31 Prozent) bei einem RAV angemeldet. Das hat verschiedene Konsequenzen. Für die Betroffenen heisst das, dass sie bei der Stellensuche im Wesentlichen auf sich alleine gestellt sind. Und weil die Arbeitslosenstatistik des Seco nur Arbeitslose zählt, die bei einem RAV gemeldet sind, wird die tatsächliche Arbeitslosigkeit in der Schweiz viel zu optimistisch dargestellt. Darüber gibt nur die Erwerbslosenstatistik des BFS Auskunft. Aber die erscheint nur alle drei Monate – und zudem mit einer zeitlichen Verzögerung von fast 2 Monaten. Diese zählte 2019 216'000 Erwerbslose - gegenüber den 107'000 registrierten Arbeitslosen des Seco.

Eigentlich können sich alle in der Schweiz von den RAV beraten lassen. Man muss nicht arbeitslos sein. Doch die RAV sind offenbar zu wenig attraktiv. Sie werden in der Bevölkerung vor allem als Kontrollinstanz wahrgenommen, welche bei den Arbeitslosen überprüft, ob sie ihre Bewerbungen gemacht haben. Wer ausgesteuert wird und kein Arbeitslosengeld mehr erhält, meldet sich in der Regel beim RAV ab.

Das zeigt sich gut an der Entwicklung der RAV-Einschreibungen ab April 2011. Damals wurden die Leistungskürzungen bei der Arbeitslosenversicherung aus der 4. Revision in Kraft gesetzt. In der Folge nahm der Anteil der Erwerbslosen, der nicht bei einem RAV registriert ist, rasch ab.

Mit der Einführung der Stellenmeldepflicht könnten die RAV ihre Leistungen stark verbessern und eine bedeutende Rolle bei der Stellenvermittlung übernehmen. Denn mittlerweile melden die Firmen über 40'000 Stellen. Das sind fast vier mal mehr als vor zwei Jahren. Doch offenbar ist das viel zu wenig der Fall. Denn der Anteil der Erwerbslosen ohne RAV-Registrierung hat sich kaum geändert.

Angesichts dieser beunruhigenden Entwicklung müsste der Bund eingreifen. Der Handlungswille des zuständigen Seco ist jedoch kaum spürbar. Symptomatisch ist ein Seco-Artikel In der jüngsten Ausgabe der «Volkswirtschaft» - der Hauszeitung des Seco. Der erste Satz zu einem Übersichtsarktikel über die Lage auf dem Schweizer Arbeitsmarkt lautet: «Der Schweizer Arbeitsmarkt funktioniert grundsätzlich sehr gut». Rekordhohe Erwerbslosigkeit, Langzeitarbeitslosigkeit, Frauenlohndiskriminerung, Einstiegsprobleme von jungen und älteren Arbeitslosen, grosse Einkommensverluste von älteren Arbeitslosen usw. sind allenfalls Probleme von einzelnen Gruppen. Mehr nicht.

Anteil der Erwerbslosen, der nicht nicht bei einem RAV eingeschrieben ist

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

031 377 01 16

daniel.lampart(at)sgb.ch
Daniel Lampart
Top