So nötig AHVplus ist, so uneinsichtig sind die Bürgerlichen

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Verfasst durch Doris Bianchi, stv. SGB-Sekretariatsleiterin

Session I: AHVplus im Nationalrat

Wer ein Leben lang hart arbeitet, soll auch im Alter anständig leben können. Das ist, auf den Punkt gebracht, das Anliegen von AHVplus. Die Volksinitiative des SGB steht am 16. Dezember in der grossen Kammer zur Debatte.

Heute genügen bei vielen Menschen die Renten aus der ersten und zweiten Säule nicht für ein anständiges Leben im Alter, obwohl sie zuvor ein Leben lang gearbeitet und dabei immer Beiträge bezahlt haben. Die AHV-Renten müssen deshalb um 10 Prozent angehoben werden. Das lohnt sich, denn die AHV ist die sicherste Altersvorsorge mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. Im Gegensatz zu Pensionskassen und insbesondere zur privaten Vorsorge zahlen Personen mit mittleren Einkommen wenig, um in den Genuss einer spürbaren Rentenerhöhung zu kommen. Der 10-Prozent-Zuschlag auf den laufenden und künftigen Altersrenten bringt der grossen Mehrheit der Pensionierten deutlich mehr Geld ins Portemonnaie. Alleinstehende würden im Durchschnitt pro Monat 200 Franken mehr erhalten. Die meisten Ehepaare bekämen jeden Monat 350 Franken mehr. Diese Zuschläge sind nötig. Denn einerseits sind die AHV-Renten gegenüber der Lohnentwicklung immer mehr ins Hintertreffen geraten, andererseits verschlechtern sich die Pensionskassenrenten.

An den Bedürfnissen der Leute vorbei

So nötig die Volksinitiative AHVplus für viele ältere Menschen wäre, so uneinsichtig geschlossen lehnen sie die bürgerlichen Parteien ab. Der Ständerat hat die Initiative mit 33 gegen 11 Stimmen zur Ablehnung empfohlen. Die vorberatende Kommission des Nationalrates beantragt ihrem Plenum mit 15 zu 8 dasselbe. Das Parlament politisiert so an den Bedürfnissen der Leute vorbei.

AHV ist solid

Viele bürgerliche Parlamentarier/innen blasen die Finanzierung der AHV zum Problem auf. Sie hoffen, dass entsprechend stetes rhetorisches Einpeitschen mit der Zeit schon seine Spuren hinterlassen wird. Dabei ist die AHV solid aufgestellt. Das wichtigste Sozialwerk der Schweiz schreibt schwarze Zahlen, obwohl sich seit seiner Einführung die Zahl der Rentner/innen mehr als verzehnfacht hat. Auch die längere Lebensdauer und der Geburtenrückgang brachten die AHV nicht aus dem Lot. Die AHV konnte all diese Herausforderungen schultern, weil die Einnahmen mit der steigenden Leistungsfähigkeit der Wirtschaft wachsen. Es ist wie in der Landwirtschaft: Vor 50 Jahren gab es noch um die 15 Prozent Bauern, heute sind es nur noch knapp 3,5 Prozent. Trotzdem produzieren die Landwirte heute dank gesteigerter Produktivität viel mehr Nahrungsmittel. Genauso positiv wirkt sich der allgemeine Produktivitätsfortschritt auf die AHV-Kasse aus. Weil die AHV durch Lohnprozente finanziert wird, lagen die Einnahmen dank des Lohnwachstums fast immer über den Ausgaben - obwohl seit 1975 die Lohnbeiträge nicht mehr erhöht wurden. Einzig ein knappes Mehrwertsteuerprozent kam Ende der 90er Jahre dazu. Dennoch sagen seit gut 20 Jahren andauernd selbsternannte Propheten der AHV Riesen-Defizite voraus.

Auch den Eintritt der Babyboom-Generation ins Rentenalter in den nächsten Jahren kann die AHV gut meistern. Die überdurchschnittliche Zunahme der Neurentner/innen wird nämlich ein vorübergehendes Phänomen sein. Sie kann deshalb gut durch Zusatzeinnahmen mittels einer Mehrwertsteuererhöhung abgefedert werden, bis die darauffolgende geburtenschwächere Generation in Rente geht.

AHVplus ist finanzierbar

Die von der Initiative vorgeschlagene Rentenerhöhung um 10 Prozent kostet rund 4.1 Mrd. Franken. AHVplus schreibt keinen spezifischen Finanzierungsschlüssel vor. Für bessere Leistungen sind höhere Lohnbeiträge gerechtfertigt. Sie betrügen je 0.4 Lohnprozente für Arbeitgeber und Arbeitnehmer (20 Prozent des Finanzierungsbedarfs würden durch den Bundesbeitrag gedeckt). Bei einem Bruttojahreslohn von 54'000 Franken würde der zusätzliche Lohnabzug pro Jahr nur gerade 220 Franken ausmachen. Dem steht für die gleiche Person eine jährliche Rentenerhöhung von über 2000 Franken gegenüber. Eine Finanzierung über Lohnprozente ist damit vertretbar. Die Lohnnebenkosten für die AHV bleiben mit je 4,6% immer noch niedrig. Kommt dazu: Die Beitragssätze für die AHV sind seit 40 Jahren nie mehr angepasst worden, im Gegensatz etwa zu den Krankenkassen oder den Pensionskassen.

Beim Urnengang werden Karten neu gemischt

Das sind die Fakten. Zu befürchten steht, dass die bürgerliche Mehrheit in der Debatte diese weiterhin negieren wird. Für den Urnengang jedoch werden die Karten neu gemischt. Da sind es die Leute selbst, die ihre Bedürfnisse checken. Und die dann auch entsprechend ihrer Bedürfnisse abstimmen.

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Premier secrétaire et économiste en chef

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daniel.lampart(at)sgb.ch
Daniel Lampart
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