Früher oder später kämen alle dran!

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Verfasst durch Daniel Lampart

Keine weitere Schlechterstellung von Migrantinnen und Migranten

Unter dem Schlagwort ‚Missbrauchsbekämpfung‘ plant der Bundesrat die sozialen Rechte von ausländischen Arbeitnehmenden zu beschneiden. Er will ihre Aufenthaltsbewilligung stärker an die Arbeitsstelle koppeln. Dies erhöht ihre Abhängigkeit von den Arbeitgebern und führt nicht nur zu mehr Druck auf ihre Lohn- und Arbeitsbedingungen, sondern auch auf die aller anderen Arbeitnehmenden. Der SGB wehrt sich energisch gegen die Vorlage.

 

Der Bundesrat präsentiert eine Reihe von Massnahmen, die Missbräuche bei der Zuwanderung im Rahmen der Personenfreizügigkeit bekämpfen sollen: Ausländische Arbeitnehmende, die mit einer Kurzaufenthaltsbewilligung zum Arbeiten in die Schweiz gekommen sind, sollen ihr Aufenthaltsrecht bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit sofort verlieren. Wer eine Aufenthaltsbewilligung B besitzt, hat in der gleichen Situation maximal 6 weitere Monate ein Aufenthaltsrecht. Die einmal gewährte Aufenthaltsbewilligung soll also wieder entzogen werden, ohne dass die Person sich etwas zu Schulden hat kommen lassen und unabhängig davon, ob Frau und Kinder in der Schweiz leben. Schliesslich sollen ausländische Personen, deren Kurzaufenthaltsbewilligung abgelaufen ist und die von ihrem Recht auf Stellensuche während sechs weiterer Monate Gebrauch machen, von der Sozialhilfe ausgeschlossen werden.

Alle Arbeitnehmenden sitzen im gleichen Boot

Diese Vorschläge gehen in die falsche Richtung. Auch ausländische Arbeitnehmende haben Anrecht auf Rechtssicherheit und sozialen Schutz. Ausserdem würde nicht nur die Lage von Migrantinnen und Migranten, sondern die Situation aller Erwerbstätigen in der Schweiz verschlechtert. Denn wenn ein Schweizer Arbeitgeber sein ausländisches Personal unter Druck setzten kann, kommen früher oder später alle Löhne und Arbeitsbedingungen unter Druck. Mangelnde soziale Absicherung bei einem Stellenverlust erhöht das Risiko, dass ausländische Arbeitskräfte vom Arbeitgeber unter Druck gesetzt werden. KurzaufenthalterInnen, deren Aufenthaltsrecht einzig vom aktuellen Arbeitsvertrag abhängt, sind besonders abhängig von ihrem Arbeitgeber. Denn mit dem Verlust der Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Freizügigkeitsabkommens (FZA) gehen auch das Recht auf Gleichbehandlung mit Schweizer Arbeitnehmenden sowie der Anspruch auf Sozialhilfe verloren.

Zu tiefe Löhne sind das Problem

Die in der Öffentlichkeit immer wieder kolportieren Fälle von „Sozialhilfemissbrauch“ sind völlig aufgebauscht. Personen, die über das Freizügigkeitsabkommen FZA in die Schweiz gekommen sind, beziehen deutlich seltener Sozialhilfe (Sozialhilfebezugsquote 2010: 0.9%) als Schweizerinnen und Schweizer (1.8%). Zudem sind 60 Prozent der FZA-Zugewanderten, die Sozialhilfe beziehen, gleichzeitig erwerbstätig. Diese Personen erhalten Sozialhilfe, weil sie mit ihrer Erwerbstätigkeit kein existenzsicherndes Einkommen erwirtschaften. Und dies obwohl es sich in der Regel nicht um kleine Teilzeitpensen handelt, da für den Erhalt einer Aufenthaltsbewilligung für Erwerbstätige eine Teilzeitarbeit von untergeordnetem Umfang nicht ausreicht. Das Problem sind somit die zu tiefen Löhne. ‚Missbrauchsbekämpfung‘ sollte nicht bei den Zuwanderern ansetzen, sondern bei den Arbeitgebern. Notwendig wären eine Verstärkung der flankierenden Massnahmen und eine Verbesserung des Lohnschutzes. Die Arbeitnehmenden brauchen mehr statt weniger Schutz – unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit.

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Premier secrétaire et économiste en chef

031 377 01 16

daniel.lampart(at)sgb.ch
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