Die Schweiz ist reif für eine soziale Wende

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Artikel
Verfasst durch Paul Rechsteiner

Gegen Rentenklau und Lohndumping

(Rede zur SGB-Demonstration vom 21. September 2013. Es gilt das gesprochene Wort.)

Hier, in diesem Haus, im Bundeshaus, wird ein Anschlag vorbereitet. Der grösste Angriff auf die Renten, den es in der Schweiz je gegeben hat.

Wo leben wir denn? Leben wir in einem Land, das wirtschaftlich aus dem letzten Loch pfeift? Fehlt es in diesem Land etwa an Geld?

Die Schweiz war nie so reich wie heute. Noch nie war die Wirtschaftsleistung der Schweiz so gross. Noch nie gab es in der Schweiz so viel Geld.

Aber dieser enorme Reichtum ist ungleich verteilt, extrem ungleich. Die hohen und höchsten Einkommen haben in den letzten 10, 15 Jahren unglaublich abkassiert. Auf Kosten der grossen Mehrheit mit unteren und mittleren Einkommen. 

Und jetzt wollen diese Abzocker und ihre politischen und publizistischen Helfershelfer uns weismachen, dass die Schweiz wegen 1:12 untergehen würde. Wie wenn der wirtschaftliche Erfolg der Schweiz den Abzockern und ihren Exzessen zu verdanken wäre, den Exzessen der Vasellas und Ospels.

Wurden denn die Unternehmen, die Konzerne wirklich schlechter geführt, als die Chefs noch keine Boni in Millionenhöhe kassierten? Machen die Leute in den Chefetagen nur dann einen anständigen Job, wenn sie ihre Taschen mit Millionen füllen können? Und die CEOs der Bundesunternehmen, die Chefs von SBB, Post, Swisscom: Ist ihre Arbeit wirklich so viel mehr wert als die eines Bundesrats?

Die Chefetage der SBB kassiert heute weit mehr als je in der Geschichte unserer Bundesbahn. Aber ausgerechnet diese Herren mit ihren Rekordbezügen wollen die Renten unserer Eisenbahner massiv verschlechtern. Variable Renten, sogenannte Wackelrenten, heisst das Projekt. Die Leute hätten nur noch 85% ihrer Rente auf sicher. Die Wackelrenten sind ein Angriff auf die Eisenbahner, aber auch ein Angriff auf alle Lohnabhängigen. Denn was die SBB hier macht, ist ein Pilotversuch, ein Testlauf für alle Pensionskassen. Wenn die Spitze der SBB sich durchsetzt, dann kann sich in Zukunft niemand mehr auf seine Rente verlassen.

Stoppen wir diese Herren, stoppen wir diese sozialpolitische Brandstiftung, bevor der Flächenbrand beginnt!

Und stoppen wir den Rentenklau, der hier im Bundeshaus vorbereitet wird. Die Leute haben ihre Renten verdient. Wer sein Leben lang gearbeitet hat, der muss im Alter von der AHV und der Pensionskasse anständig leben können. Das will die Verfassung. Und das muss der Massstab für das Projekt Altersvorsorge 2020 sein. Nicht die Abbauphantasien der Versicherungskonzerne und der bürgerlichen Parteien. Darum braucht es AHVplus.  Nach dem Fehlstart des Bundesrates erst recht.

Wir kämpfen für gute Löhne und gegen Lohndumping. Am Dienstag kommt unsere Mindestlohninitiative ins Parlament. Es sind Hunderttausende, die in unserem reichen Land mit ihrer Arbeit zu wenig verdienen, um davon anständig leben zu können. Wie lange dauert es noch, bis der Bundesrat begreift, dass er gegen diesen Missstand etwas unternehmen muss? Die menschliche Arbeit hat ihren Wert und ihren Preis. Eine Billiglohnpolitik ist für unser Land keine Perspektive.

Es kann doch nicht sein, dass eine qualifizierte Verkäuferin mit Lehre und Berufserfahrung nicht auf 4000 Franken im Monat kommt. Oder einen Stundenlohn von 22 Franken. Es fehlt ja nicht am Geld. Die grossen Kleider- und Schuhketten, Zara, Navyboot, Dosenbach, Bata, C&A, H&M, sie gehören Milliardären. Nicht Millionären: Milliardären. Am Geld liegt es nicht. Trotzdem verweigern diese Milliardäre die Sozialpartnerschaft, trotzdem lehnen sie Gesamtarbeitsverträge ab. Darum braucht es die Mindestlohninitiative.

Und noch etwas: Mindestlöhne sind die wirksamste Massnahme gegen die Lohndiskriminierung. Die tiefen Löhne, die nicht zum Leben reichen, sind oft Frauenlöhne. Mehr als 30 Jahre ist es jetzt her seit dem Lohngleichheitsartikel in der Verfassung: gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit. Diese Demonstration ist auch eine Demonstration gegen die Verschleppungspolitik im Bundeshaus: Meine Damen und Herren im Bundesrat, meine Damen und Herren im Parlament: Machen Sie endlich Schluss mit der Lohndiskriminierung der Frauen!

Die Gewerkschaften sind die stärkste soziale Kraft der Schweiz. Ihr alle gehört zu dieser starken sozialen Bewegung, zusammen mit Hunderttausenden in diesem Land. Tragen wir die Botschaften dieser Demonstration hinaus. Die Schweiz ist reif für eine soziale Wende. Die Schweiz braucht diese soziale Wende.

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Premier secrétaire et économiste en chef

031 377 01 16

daniel.lampart(at)sgb.ch
Daniel Lampart
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