Öffentliche Finanzen in der Corona-Krise: Geld ist genug vorhanden, Alarmszenarien sind verfehlt

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Blog Daniel Lampart

Um in der Corona-Krise grössere wirtschaftliche Schäden zu verhindern, hat der Bund umfangreiche Gegenmassnahmen ergriffen. So hat er beispielsweise die vom SGB geforderten «Lohngarantien» umgesetzt und die Kurzarbeit substanziell erleichtert sowie einen Krisen-Elternurlaub eingeführt. Zusätzlich wurden Selbständigen finanziell über die EO unterstützt sowie die Firmen mit Kreditbürgschaften vor Liquiditätsengpässen verschont. Der Bundesrat beziffert die Kosten auf rund 60 Mrd. Fr. Davon dürfte ein Teil über Kreditrückzahlungen bald wieder zurückkommen. Allerdings braucht die ALV noch zusätzliche Mittel in der Grössenordnung von rund 15 Mrd. Fr.

Obwohl fast alle im Land die Krisenmassnahmen unterstützen, werden bereits die ersten finanzpolitischen Alarmszenarien heraufbeschworen. Weitere Stützungsmassnahmen lägen nicht mehr drin; der finanzielle Spielraum sei bald erschöpft.

Fatal ist, dass die Verschärfung der Schuldenbremse unter Alt-Bundesrat Merz die Lage noch verschlimmern kann. Diese so genannte «Ergänzungsregel» verlangt, dass auch ausserordentliche Ausgaben in schweren Krisen wieder amortisiert werden müssen (Art. 17 FHG). Sie sieht dafür einen Zeitraum von 6 Jahren vor, der allenfalls verlängert werden kann. Selbst wenn die Krisenausgaben nach der Rückzahlung von Krediten am Schluss «nur» 40 Mrd. Fr. betragen würden, hätte das Einsparungen im Bundeshaushalt von 4 bis 6 Mrd. Fr. pro Jahr zur Folge. Dazu kommt, dass die ordentlichen Einnahmen krisenbedingt bereits sinken werden. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Sparpolitik die Krise stark verschlimmern würde.

Ökonomisch sind diese Sparmassnahmen unnötig. Es sind darüber hinaus auch finanzielle Mittel für weitere Massnahmen vorhanden. Wobei auch klar ist, dass die Mittel sinnvoll eingesetzt werden müssen. Gut investiertes Geld – in Kinderbetreuungsstrukturen, wichtige Infrastruktur, Bildung, Kultur usw. – zahlt sich auch längerfristig aus.

Die Schweiz: Ein Gläubigerland mit sehr tiefen Zinsen und gesuchter Währung

Eigentlich ist es klar, nur geht es in der Finanzpolitik immer wieder vergessen: Der Schweizer Staat ist keine Firma. Sondern wir alle in der Schweiz sind der Staat. Je besser es der Schweiz wirtschaftlich geht, desto grösser ist daher auch der finanzielle Handlungsspielraum des Staates. Die Schweiz gehört zu den vermögendsten Ländern weltweit. Sie hat ein Auslandvermögen, welches grösser ist als das Bruttoinlandprodukt. Im Unterschied zu vielen Ländern, welche sich gegenüber dem Ausland verschulden. Darunter nicht nur Entwicklungsländer, sondern auch Staaten wie die USA, Spanien oder Portugal.

Selbst wenn die Schweiz ein Schuldnerland wäre, ist das nicht per se beunruhigend. Solange die Zinsen ohne Probleme bezahlt werden können, muss man sich keine Sorgen machen. Schwierigkeiten tauchen dann auf, wenn sich ein Land mit einer schwachen Währung in starken Währungen verschulden muss, wie beispielsweise ein Entwicklungsland. Gerade im Krisenfall kann sich die eigene, schwache Währung dann weiter abwerten, was die Schuldenlast massiv erhöht. Ein weiteres Problem ergibt sich dann, wenn die geschuldeten Zinsen höher sind als das Wirtschaftswachstum. Dann droht eine Schuldenspirale, da das Land zusätzlich Kredit aufnehmen muss, um die Schulden zu zahlen.

Für die Schweiz trifft das alles nicht zu. Der Franken ist im Gegenteil zu attraktiv. Weil auch ausländische Anleger ihr Geld im Franken parkieren wollen, muss die Nationalbank laufend gegen Aufwertungen ankämpfen. Und die Zinsen sind negativ. Wer in der Schweiz – vor allem beim Schweizer Staat – Geld anlegen will, muss sogar dafür zahlen.  

Bund, Kantone und Gemeinden sitzen auf umfangreichen Reserven

Bund, Kantone und Gemeinden haben seit dem Jahr 2000 fast 50 Mrd. Fr. mehr eingenommen als ausgegeben (diese und die folgenden Statistiken finden sich hier in der Finanzstatistik des Bundes). Diese enormen Überschüsse haben die finanzielle Lage der öffentlichen Hand stark verändert. Die Kassen von Bund, Kantonen und Gemeinden sind gut gefüllt. Zwar haben sie Kredite von rund 300 Mrd. Fr. ausstehend – die sogenannte «Staatsverschuldung». Doch sie haben auch ein Vermögen in Form von Beteiligungen, flüssigen Mitteln, Immobilien usw. Natürlich ist der Wert eines Teils dieser Vermögenswerte schwierig zu schätzen. Darum gibt es verschiedene Statistiken. Diese alle zeigen, dass das Vermögen deutlich grösser ist als die ausstehenden Schulden. Der Schweizer Staat hat ein stattliches Vermögen von 100 bis 250 Mrd. Fr. – je nach Statistik und Definition. Doch selbst wenn der Staat netto kein Vermögen hat, ist das nicht per se bedenklich. Wie einleitend gesagt, ist die gesamtwirtschaftliche Leistungsfähigkeit entscheidend. Hier steht die Schweiz ausgezeichnet da.

Nettovermögen von Bund, Kantonen und Gemeinden (in 1000 Fr.)

Keine Gefahr einer Schuldenspirale

Doch selbst wenn ein Staat netto verschuldet ist, ist das noch kein Grund zur Beunruhigung. Nur weil auf der Staatsschuld Zinsen bezahlt werden müssen, droht noch keine Schuldenspirale, solange nämlich das Staatsdefizit nicht grösser ist als die Schuldzinsen. Weil der Zinssatz längerfristig gleich ungefähr hoch ist wie das Wirtschaftswachstum, wachsen die Schulden im Einklang mit dem BIP bzw. den Einkommen einer Volkswirtschaft. Die Zinsen können bezahlt werden, ohne dass Steuern erhöht werden müssen bzw. die Schulden aus dem Ruder laufen. Der Ökonom Cédric Tille legt das in einem sehr lesenswerten Artikel ausführlich dar. Weil die Zinsen viel tiefer sind als das Wirtschaftswachstum kann man problemlos Defizite zulassen, die grösser sind als die Zinszahlungen («Primärdefizite»).

Solange ein Staat nicht stark gegenüber dem Ausland verschuldet ist und über Zinsen Geld abfliesst, wird durch die Staatsschuld niemand ärmer und die nachfolgenden Generationen werden nicht belastet. Machen wir ein Beispiel: Die Schweiz macht ein grosses Fest. Das Fest kann auf zwei Arten finanziert werden: a) Entweder nimmt der Bund einen Kredit bei der Bevölkerung auf, oder b) er erhöht die Steuern um so viel, wie das Fest kostet. Was heisst das nun für die Kinder der SchweizerInnen, die das Fest veranstaltet haben? In beiden Fällen vererben die SchweizerInnen ihren Kindern ein Vermögen, das um den Betrag gesunken ist, den das Fest gekostet hat. Wobei sie im Fall a) ihren Kindern zusätzlich eine Obligation auf den Betrag, den das Fest gekostet hat, vererben. Wenn die Schweiz die Obligation zurückzahlen will, muss sie die Steuern erhöhen oder andere Leistungen einsparen. D.h. die BewohnerInnen, die eine Obligation halten, werden mehr Steuern bezahlen müssen, damit ihnen die Schulden zurückbezahlt werden können. Ein Nullsummenspiel also. Fazit: Egal ob das Fest über einen Kredit oder über höhere Steuern finanziert wurde: Das Geld ist ausgegeben. 

In Krisenzeiten grössere Schäden verhindern

In Zeiten schwerer Rezessionen ist nochmals alles anders. Denn diese Rezessionen können sich selber verstärken, wenn die Firmen die Investitionen stoppen und die Privathaushalte ihren Konsum stark zurückfahren. Es können längerfristige Schäden drohen, wenn immer mehr Firmen Konkurs gehen oder Leute arbeitslos werden. Die öffentliche Hand kann dann mit eigenen Ausgaben- und Investitionsprogrammen die weggefallene private Nachfrage ersetzen und so längerfristige wirtschaftliche Ausfälle verhindern. Die staatlichen Stabilisierungsmassnahmen sind dann quasi die Einnahmen von morgen.   

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

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