Bekämpfung der Corona-Krise: Bund, Kantone und Gemeinden verfügen noch über Milliarden-Reserven

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Blog Daniel Lampart

Um in der Corona-Krise grössere wirtschaftliche Schäden zu verhindern, hat der Bund umfangreiche Gegenmassnahmen ergriffen. So hat er beispielsweise die vom SGB geforderten «Lohngarantien» umgesetzt und die Kurzarbeit substanziell erleichtert sowie einen Krisen-Elternurlaub eingeführt. Zusätzlich wurden Selbständigen finanziell über die EO unterstützt sowie die Firmen mit Kreditbürgschaften vor Liquiditätsengpässen verschont. Der Bund beziffert seine Kosten auf etwas mehr als 40 Mrd. Fr. Das ist wesentlich weniger als die ursprünglich angenommenen mehr als 70 Mrd. Fr. Zusätzlich haben verschiedene Kantone Härtefallfonds und Konjunkturstabilisierungsmassnahmen beschlossen.

Finanzminister Maurer und an andere Finanzpolitiker versuchen nun, auf die Bremse zu stehen. Der Staat hätte nicht ausreichend Mittel, um die wirtschaftliche Lage wie in der ersten Welle zu stabilisieren. Das ist völlig falsch. Im Gegenteil: Die finanzielle Lage des Schweizer Staates erlaubt umfangreiche Stabilisierungs- und Stimulierungsprogramme. Der Bund, und insbesondere die Kantone sitzen auf enormen finanziellen Reservepolstern. Das zeigt auch die Analyse des SGB zu den Kantonsfinanzen. Der Schweizer Staat ist beispielsweise nicht verschuldet, wie es auch die Regierungen immer wieder behaupten. Sondern es verfügt über ein Reinvermögen von 100 bis 250 Mrd. Fr. – je nach Berechnungsweise. Nachstehend eine ökonomische Analyse finanziellen Lage.

Die Schweiz: Ein Gläubigerland mit hochattraktiver Währung und negativen Zinsen

Eigentlich ist es klar, nur geht es in der Finanzpolitik immer wieder vergessen: Der Schweizer Staat ist keine Firma. Sondern wir alle in der Schweiz sind der Staat. Je besser es der Schweiz wirtschaftlich geht, desto grösser ist daher auch der finanzielle Handlungsspielraum des Staates. Die Schweiz gehört zu den fünf vermögendsten Ländern weltweit. Sie hat ein Auslandvermögen, welches grösser ist als das Bruttoinlandprodukt. Im Unterschied zu vielen Ländern, welche sich gegenüber dem Ausland verschulden. Darunter nicht nur Entwicklungsländer, sondern auch Staaten wie die USA, Spanien oder Portugal.

Selbst wenn die Schweiz ein Schuldnerland wäre, ist das nicht per se beunruhigend. Solange die Zinsen ohne Probleme bezahlt werden können, muss man sich keine Sorgen machen. Schwierigkeiten tauchen dann auf, wenn sich ein Land mit einer schwachen Währung in starken Währungen verschulden muss, wie beispielsweise ein Entwicklungsland. Gerade im Krisenfall kann sich die eigene, schwache Währung dann weiter abwerten, was die Schuldenlast massiv erhöht. Ein weiteres Problem ergibt sich dann, wenn die geschuldeten Zinsen höher sind als das Wirtschaftswachstum. Dann droht eine Schuldenspirale, da das Land zusätzlich Kredit aufnehmen muss, um die Schulden zu zahlen.

Für die Schweiz trifft das alles nicht zu. Der Franken ist im Gegenteil zu attraktiv. Weil auch ausländische Anleger ihr Geld im Franken parkieren wollen, muss die Nationalbank laufend gegen Aufwertungen ankämpfen. Und die Zinsen sind negativ. Wer in der Schweiz – vor allem beim Schweizer Staat – Geld anlegen will, muss sogar dafür zahlen.  

Bund, Kantone und Gemeinden sitzen auf Milliarden-Reserven

Bund, Kantone und Gemeinden haben von 2000 bis 2018 fast 50 Mrd. Fr. mehr eingenommen als ausgegeben. Diese enormen Überschüsse haben die finanzielle Lage der öffentlichen Hand stark verändert. Die Kassen von Bund, Kantonen und Gemeinden sind gut gefüllt. Zwar haben sie Kredite von rund 300 Mrd. Fr. ausstehend – die sogenannte «Staatsverschuldung». Doch sie haben auch ein Vermögen in Form von Beteiligungen, flüssigen Mitteln, Immobilien usw. Natürlich ist der Wert eines Teils dieser Vermögenswerte schwierig zu schätzen. Darum gibt es verschiedene Statistiken. Diese alle zeigen, dass das Vermögen deutlich grösser ist als die ausstehenden Schulden. Der Schweizer Staat hat ein stattliches Reinvermögen von 100 bis 250 Mrd. Fr. – je nach Definition. Doch selbst wenn der Staat netto kein Vermögen hat, ist das nicht per se bedenklich. Wie einleitend gesagt, ist die gesamtwirtschaftliche Leistungsfähigkeit entscheidend. Hier steht die Schweiz ausgezeichnet da.

Reinvermögen von Bund, Kantonen und Gemeinden (in 1000 Fr.)

Keine Gefahr einer Schuldenspirale

Doch selbst wenn ein Staat netto verschuldet ist, ist das noch kein Grund zur Beunruhigung. Nur weil auf der Staatsschuld Zinsen bezahlt werden müssen, droht noch keine Schuldenspirale, solange nämlich das Staatsdefizit nicht grösser ist als die Schuldzinsen. Weil der Zinssatz längerfristig gleich ungefähr hoch ist wie das Wirtschaftswachstum, wachsen die Schulden im Einklang mit dem BIP bzw. den Einkommen einer Volkswirtschaft. Die Zinsen können bezahlt werden, ohne dass Steuern erhöht werden müssen bzw. die Schulden aus dem Ruder laufen. Der Ökonom Cédric Tille legt das in einem sehr lesenswerten Artikel ausführlich dar. Weil die Zinsen viel tiefer sind als das Wirtschaftswachstum kann man problemlos Defizite zulassen, die grösser sind als die Zinszahlungen («Primärdefizite»).

Solange ein Staat nicht stark gegenüber dem Ausland verschuldet ist und über Zinsen Geld abfliesst, wird durch die Staatsschuld niemand ärmer und die nachfolgenden Generationen werden nicht belastet. Machen wir ein Beispiel: Die Schweiz macht ein grosses Fest. Das Fest kann auf zwei Arten finanziert werden: a) Entweder nimmt das Finanzdepartement einen Kredit bei der Bevölkerung auf auf, oder b) sie erhöht die Steuern um so viel, wie das Fest kostet. Was heisst das nun für die Kinder der SchweizerInnen, die das Fest veranstaltet haben? In beiden Fällen vererben die SchweizerInnen ihren Kindern ein Vermögen, das um den Betrag gesunken ist, den das Fest gekostet hat. Wobei sie im Fall a) ihren Kindern zusätzlich eine Obligation auf den Betrag, den das Fest gekostet hat, vererben. Wenn die Schweiz die Obligation zurückzahlen will, muss sie die Steuern erhöhen oder andere Leistungen einsparen. D.h. die BewohnerInnen, die eine Obligation halten, werden mehr Steuern bezahlen müssen, damit ihnen die Schulden zurückbezahlt werden können. Ein Nullsummenspiel also. Fazit: Egal ob das Fest über einen Kredit oder über höhere Steuern finanziert wurde: Das Geld ist ausgegeben. 

In Krisenzeiten grössere volkswirtschaftliche Schäden verhindern

In Zeiten schwerer Rezessionen ist nochmals alles anders. Denn diese Rezessionen können sich selber verstärken, wenn die Firmen die Investitionen stoppen und die Privathaushalte ihren Konsum stark zurückfahren. Es können längerfristige Schäden drohen, wenn immer mehr Firmen Konkurs gehen oder Leute arbeitslos werden. Die öffentliche Hand kann dann mit eigenen Ausgaben- und Investitionsprogrammen die weggefallene private Nachfrage ersetzen und so längerfristige wirtschaftliche Ausfälle verhindern. Die staatlichen Stabilisierungsmassnahmen sind dann quasi die Einnahmen von morgen.   

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

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